Auf Reisen
Hallo an alle,
Seit dem Beginn meines FSJs hatten die anderen Freiwilligen und ich die Idee eine gemeinsame Reise zu machen. Wir entschieden uns, diese am Ende des Jahres zu starten, um zusammen Silvester zu feiern. Es stand auch schnell fest, wo wir dies machen wollten: Kalkutta.
Step 1 - Kalkutta:
Kalkutta ist mit fast 14 Millionen Einwohnern, nach Delhi und Mumbai, die drittgrößte Stadt Indiens. Außerdem war sie lange die Hauptstadt der British East India Company. Diese wurde dann 1911 nach Delhi verlegt.
Der Einfluss der Briten lässt sich jedoch in Kalkutta deutlich besser erkennen als in Delhi. Wenn man auch nur kurz durch die Straßen der Megacity spaziert, fallen einem die unzähligen Kolonialbauten auf, die einen Großteil der Innenstadt darstellen. Zu diesem historischen Feeling kommen noch die Yellow Taxis. Dies sind Oldtimer-Taxis, die gefühlt 50 Prozent des Straßenverkehrs ausmachen. Diese Kombination aus Menschenmassen, Kolonialbauten und Taxis gibt den Straßen Kalkuttas einen ganz besonderen Flair.
Deswegen sind wir öfters auch einfach gelaufen, anstatt das Taxi zu nehmen, um einfach die Atmosphäre zu genießen oder durch die vielen Märkte zu stöbern. Das ganze wurde noch vereinfacht von der genialen Erfindung des Bürgersteigs.
Klar, dieser ist in Deutschland selbstverständlich, aber Kalkutta ist bisher der einzige Ort, an dem ich auf diese ausweichen konnte. In Delhi oder Ghaziabad ist man es gewöhnt, jede zwei Minuten von Motorrädern angehupt zu werden, die am besten noch eine Autohupe installiert haben, um dir fast einen Herzinfarkt zu geben.
Das Highlight, das die Kolonialisten zurückgelassen haben, ist definitiv das Queen Victoria Memorial. Am ersten Tag wurde sich also zu sechst in ein Yellow Taxi gequetscht und zum Wahrzeichen Kalkuttas gefahren.
Dasselbe Bauwerk wurde, wie unschwer am Namen zu erkennen, zu Ehren der Queen Victoria errichtet. Zu sehen gab es einen schönen Garten und ein Museum.
Leider folgen indische Museen, jedenfalls die, die ich bisher besucht habe, einem frustrierenden Trend von viel zeigen und wenig erzählen. So gab es wirklich schöne Gemälde oder historische Artefakte, jedoch keine nennenswerten Informationen.
Gleiches galt auch für das Indian Museum, welches wir am nächsten Tag besuchten. Schöne Ausstellungen mit vielen Artefakten aus der indischen Geschichte oder riesigen Wal-Skeletten, aber wieder zu wenig Erklärung. Das beste Beispiel: Ein ganzer Raum voller Statuen und aus Stein gemeißelten Bögen, mit nur einem Schild, der einen Namen und eine Jahreszahl enthält.
Dazu kommt auch noch der Fakt, dass “Foreigners” (Ausländer) oft mehr als den zehnfachen Eintritt zahlen, als Inder. Dass Ausländer mehr zahlen als locals, ist ja okay, aber für ein enttäuschendes Museum das 10-15 fache zu zahlen ist schon ein bisschen demotivierend.
Ein Lichtblick befand sich aber direkt um die Ecke: Die College Street. Diese liegt direkt neben der Uni und ist die Anlaufstelle vieler Studenten, um ihre Bücher zu kaufen. So entsteht ein sehr buntes Viertel mit unzähligen Büchershops und einer tollen Atmosphäre. Dort befindet sich auch das Indian Coffee House, ein schon fast historisches Cafe, in dem sich schon seit fast 150 Jahren die Studenten und Professoren treffen, um sich auszutauschen und zu diskutieren.
Wie schon erwähnt, wollten wir Silvester in Kalkutta verbringen. So machten wir uns auf die Suche nach einer passenden Location. Plan war es, auf einem Rooftop Cafe zu feiern, um ein guten Blick auf das Feuerwerk zu haben. Problem war nur, es gab eine Schlange von etwa 20 Minuten um überhaupt in das Cafe zu kommen und dann wurde noch am Eingang ein Eintritt von 3000 Rupien (etwa 34 Euro) pro Person, was uns natürlich am Telefon nicht gesagt wurde. So gingen wir in eine Bar/Club. Das war im Endeffekt eine gute Entscheidung, da es, wie wir feststellen mussten, gar kein Feuerwerk zu Neujahr gibt.
Inder, auch viele Junge, sind keine späten Partygänger, so ging es schon um zwei zurück ins Guesthouse, wo aber noch ins deutsche Neujahr reingefeiert wurde:
Was im ganzen Urlaub, aber vor allem in Kalkutta wieder stark aufgetreten ist, waren die unzähligen Selfies. Ein bisschen habe ich das schon gewöhnt, aber das Victoria Memorial war ein ganz anderes Level.
Vor dem Museum gab es schon mal ein kleines Warmup mit vielleicht fünf bis sieben.
Im Museum angekommen bewunderten wir riesige Wandgemälde und die Wortgewandtheit junger indischer Naturfotografen. Ein kurzer Appetizer hier:
Aber die restlichen Besucher waren eher an uns interessiert als an den Ausstellungsstücken. So wurden wir wieder nach Selfies gefragt oder aber auch einfach gefilmt oder fotografiert. Dies war aber zum Glück nicht die Mehrheit.
Der Höhepunkt kam dann auf dem Weg aus dem Museum, wo uns mehrere Gruppen gleichzeitig angesprochen hatten und förmlich um unsere Präsenz in ihren Bildern kämpften.
Abschließend zu Kalkutta muss ich aber anmerken, wie presänt hier die Armut ist, selbst im Vergleich zu Delhi.
Auf den vorher genannten Bürgersteigen leben Menschen in Zelten und man wird von bettelnden Kindern verfolgt, egal wo man sich bewegt.
Mit diesem tue ich mich immernoch nach über einem halben Jahr schwer, da man gerne jedem helfen würde, dies aber nicht kann. Selbst wenn man jedem Kind, was einen mit flehenden Augen anschaut, Geld geben würde, landet dieses Geld wahrscheinlich bei organisierten Banden und man würde das Problem eher noch schlimmer machen.
Man kann aber trotzdem z.B. Essen oder ähnliches verteilen, um so direkt der Person zu helfen.
Step 2 - Darjeeling:
Der zweite Stopp auf unserer Reise war Darjeeling, mein persönlicher Favorit bei der Planung und schließlich auch auf der Reise.
Was mir an Darjeeling so gefiel war, auch wie schon auf dem Dorf, die deutlich gelassenere Atmosphäre. Auf etwa 2000 Metern Höhe war die Luft frisch und die Aussicht fantastisch. Vor allem nach Delhi und Kalkutta kam dies sehr gelegen.
Darjeeling liegt am Hang und bietet viele kleine Gassen und Märkte, die sich durch die ganze Stadt ziehen. Darunter natürlich viele Tee-Shops und eine sehr schöne Buchhandlung, in der ich wahrscheinlich den halben Urlaub verbringen hätte können.
Am ersten Tag besichtigten wir die Kleinstadt, schlenderten durch die Gassen, bestiegen einen Hügel und ließen es generell etwas gelassener angehen.
Neben dem durch Gassen schlendern, begaben wir uns auf eine Taxi-Tour. Diese führte uns unter anderem zu den berühmten Tea-Gardens und dem Mountaineering Institute.
Ersteres war eine wirklich 100% prozentige Tourie-Aktion, aber trotzdem gab es guten Tee und einen schönen Blick.
Das Mountaineering Institute trainiert Bergsteiger für die höchsten Gipfel des Himalayas und hat ein dazu passendes Museum. Dieses widmet sich den Everest-Besteigungen, die vom Institut durchgeführt wurden. Primär ging es um die erste erfolgreiche Besteigung von Edmund Hillary und Tenzing Norgay. Tenzing war Teil des Instituts und trainierte dort ausgiebig für den Aufstieg.
Im Vergleich zu anderen Museen hier, war dieses echt gut, aber natürlich genau in diesem - keine Fotos.
Zu dem Institut gehört auch ein Zoo, der auch erstaunlich gut war und wo man auch tatsächlich Bilder machen durfte.
Darjeeling und die umliegenden Regionen sind bekannt für ihre Blicke auf die höchsten Gipfel des Himalayas. Leider war es während unseres Aufenthaltes recht diesig und wir konnten lange nicht von unserem Hotelzimmer mit Bergblick Gebrauch machen.
Gegen Ende klarte es zum Glück noch auf und wir entschieden uns eine Wanderung zum “Tiger Hill View Point" zu machen.
Dies war mein Highlight der ganzen Reise, da fast auf dem ganzen Weg eine Reihe von Gipfeln, unter anderem der dritthöchste Berg der Welt - der Kangchenjunga (8586m) -, aus dem Nebel ragten.
Step 3 - Bihar:
Bihar ist der ärmste der indischen Bundesstaaten und so war ich mir nicht ganz sicher, was ich erwarten sollte. Doch ich war positiv überrascht, wie viel Bihar zu bieten hat.
Die beiden Hauptattraktionen in Bihar sind zwei UNESCO-Weltkulturerben: Die Nalanda Universität und Bodhgaya.
Die Nalanda Universität hatte ihre Blütezeit zwischen 300 und 500 nach Christus und war zu seiner Zeit eine der wichtigsten Unis Asiens.
Anfang des 13. Jhdts wurde sie zerstört und die Bibliothek brannte angeblich drei Monate.
Das Weltkulturerbe war auf jeden Fall sehenswert. Man konnte sich gut die Mönche vorstellen, die gerade zur nächsten Vorlesung liefen oder zusammen Abendessen kochten.
Nur leider gab es an der Uni wieder zu wenig Informationen.
Das Bodhgaya ist zwar Weltkulturerbe, aber manche Gebäude, wie der Haupttempel, wurden erst in den letzten Jahrzehnten gebaut.
Bodhgaya ist einer der heiligsten Orte für Buddhisten. Übersetzt bedeutet der Name “Ort der Erleuchtung”. Buddha soll an diesem Ort nach sieben Wochen seine Erleuchtung erlangt haben. Dies gelang ihm unter einer Pappelfeige. Ein angeblich direkter Nachkommen des Baums steht im Zentrum der Tempelanlage.
Wie zu erwarten, ist Bodhgaya ein beliebtes Ziel für Buddhisten zum Beten und den Fußstapfen Buddhas zu folgen.
Das Beste war die Atmosphäre. Man musste am Eingang alle elektronischen Geräte abgeben und so war es sehr ruhig in der Anlage und die meisten waren beschäftigt mit beten oder mit dem Aufsagen von Mantras.
Zum Schluss gab uns noch ein netter Mönch eine Tour durch die sieben Stationen, die auch Buddha durchlief, und wir besuchten eine riesige Buddhastatue.
Step 4 - Varanasi:
Von einer der heiligsten Orte für Buddhisten ging es dann zu einer der heiligsten Orte für Hindus - Varanasi.
Varanasi ist am meisten bekannt für die Leichenverbrennungen am Fluss Ganges. Hindus glauben an die Wiedergeburt mit dem Prinzip von Karma. Der einzige Weg, diesem Kreislauf der Wiedergeburt zu entkommen, ist, wenn deine Leiche verbrannt und die Asche in den Ganges geschüttet wird.
An so einem heiligen Ort zu sein, war zwar eine sehr besondere Erfahrung, aber trotzdem war Varanasi für mich ein bisschen enttäuschend. Der ausschlaggebende Punkt war der Tourismus.
Ein komplettes Ufer des Ganges ist mit den “Ghats” bebaut. Dies sind Treppen, die bis zum Wasser reichen und auch weiter oben manchmal einen Tempel beherbergen. Es ist echt schön auf diesen am Fluss zu laufen und die Atmosphäre zu genießen, wären da nicht durchgehend überall Kinder und Erwachsene, die religiöse Stirn-Bemalung, Bootsfahrten oder Souvenirs aller Arten anbieten.
Es ist wirklich schwer, mehr als eine Minute zu laufen, ohne irgendwo angesprochen zu werden.
Dieser Tourismus bezog sich auch auf die Leichenverbrennungen. Es ist schon ein komisches Gefühl, bei einer Leichenverbrennung da beizustehen, ohne Bezug zur Person oder Familie.
Trotzdem war Varanasi ein schöner Stopp mit verwinkelten Gassen, gutem Essen und einem fantastischen Hostel.
Step 5 - Agra:
Der letzte Stopp auf unserer Reise war Agra.
Agra war früher die Hauptstadt des mongolischen Königreichs und so ist es Heim zu zwei weltberühmten Bauwerken, dem Taj Mahal und Agra Fort.
Ersteres ist ein Mausoleum, errichtet für die Frau des Shah Jahan. Das komplette Gebäude ist mit weißem Marmor verkleidet und sieht in Person fast beeindruckender aus als auf Bildern.
Das Agra Fort war der Palast für Generationen von Herrschern und war dementsprechend prunkvoll. Leider wurde dieser aber mehrmals, unter anderem von den Briten, geplündert und viele Artefakte fehlen.
Im Fort lebten auch Shah Jahan und seine Familie. Als dieser erkrankte übernahm ein Sohn die macht, aber als Shah Jahan sich erholte gab der Sohn ihm die Krone nicht zurück, sondern sperrte ihn für die restlichen acht Jahre seines Lebens in den Palast ein - mit Blick auf den Taj Mahal.
Wegen viel Nebel wurde unser Zug nach Agra abgesagt und wir mussten auf einen Nachtbus umsteigen. Dieser fuhr über Agra nach Delhi und so wurden wir schon um 4.30 Uhr mal wieder auf der Autobahn rausgelassen.
Das hieß, wir konnten, nicht ganz freiwillig und mit kollektiv etwa 3 Stunden Schlaf, den Sonnenaufgang am Taj Mahal verbringen.
Während wir beim Eingangstor auf die Öffnung des Mausoleums warteten, ereignete sich die skurrilste Szene des Urlaubs.
Wir waren, wie zu erwarten, fast die ersten, die am Taj Mahal anstanden. Etwa eine halbe Stunde vor Öffnung war immer noch fast nichts los. Dann fuhren plötzlich geräuschlos zwei elektrische Golfcarts mit Überlänge auf und kamen fast driftend zum Stehen. Wie eine Spezialeinheit sprang eine Rentner-Reisegruppe, bewaffnet mit Bauchtasche und Spiegelreflex, aus den Gefährten und verdreifachte fast die Anzahl der Wartenden.
Kurz danach öffneten sich die Tore und man konnte das Gelände betreten.
Um unsere Position in der Schlange auszunutzen, powerwalkten wir zum Taj Mahal um einige Bilder, fast ohne Menschen, zu ergattern.
Jedem, der den Taj Mahal besuchen will, würde ich empfehlen, dies auch so früh wie möglich zu tun, da so natürlich deutlich weniger Menschen anwesend sind und die Atmosphäre so auch um einiges besser ist.
Zum Schluss muss ich mich noch bei Nils bedanken, denn er hat einen Großteil der Bilder gemacht, die ihr gerade gesehen habt.
Macht´s gut,
Sebastian
Noch ein paar extra Bilder: